Sprachlos zwischen zwei Sprachen

Meine Muttersprache gibt mir eine Stimme, macht mich dazugehörig, lässt mich Teil einer Gesellschaft und Bestandteil einer Heimat sein. Sie gibt mir ein zu Hause. Sie ist in meinem Herzen, meinen Gedanken, meinen Träumen, meinen Witzen. Aber vor allem ist sie in meinen Gesprächen, welche mit ihr so tief tauchen können, bis da keine Worte mehr zu fischen sind.

 

Meine Muttersprache ist meine treue Begleiterin und folgt mir, wohin ich auch gehe. Selbstlos nimmt sie sich zurück, wenn sie einer anderen Sprache begegnet. Gerne stellt sie sich mit ihrem Akzent vor und erinnert mich damit nur allzu gerne an meine Wurzeln. In Kanada gab sie mir Raum, damit ich lernte, mich neu auszudrücken, in einer anderen Sprache. Ich – talentfrei für Sprachen – arbeitete hart und fleissig, diese zu lernen. Denn ich wollte auch in diesem neuen Land mitreden können. Weil ich viel zu sagen habe. 

 

In meinem Kanadajahr fand ich mich unerwartet zwischen zwei Sprache wieder, die beide um meine Aufmerksamkeit warben. Die eine, die mich darum bemühte, sie nicht zu vergessen und die andere – noch in ihren Kinderschuhen – voller Erwartung, grossgezogen zu werden. Geblendet von so viel Aufmerksamkeit fand ich immer öfters nicht die richtigen Wörter in der entsprechenden Sprache. Deutsche Grammatik und Rechtschreibregeln, welche ich dachte, sie sassen tief, begannen sich auf einmal zu verabschieden. Und so stand ich da, plötzlich unsicher in beiden Sprachen. Immer wieder überprüfend, ob man das jetzt so sagen kann. Unbeholfen fühlte ich mich zwischen Deutsch und Englisch – die eine Sprache, welche ich anfing zu verlieren und die andere, welche ich noch am Finden bin. Und so machten mich beide Sprachen manchmal einfach sprachlos.

 

Täglich sprach und hörte ich Englisch in Kanada. Meistens übersetze mir meine Muttersprache zuverlässig und liess mich nicht im Stich. Mit der Zeit wuchs meine Sicherheit in der fernen Sprache. Das Englisch kam mir immer näher und fand ihren Stammplatz in meinen Gedanken. Es wurde immer mehr Teil meines Alltages in Kanada, wurde ein Stück von mir. Den Platz meiner Muttersprache kann diese neue Sprache jedoch niemals erobern. Dennoch begleitete sie mich durch die Tage, öffnete mir Türen für Freundschaften und half mir, mich im Yukon zurecht zu finden. Mit jedem weiteren Tag machte mir das Lernen dieser fernen Sprache weniger Arbeit und mehr Freude.

 

Diese Fremdsprache übte und begleitete mich und war für mich nach einem Jahr überhaupt nicht mehr fremd. Dennoch kann ich noch immer nicht ganz mich selbst in ihr ausdrücken. Denn ein grosser Teil fehlt, der – so finde ich – in einer Fremdsprache schwer zu sprechen ist: Humor. Dieser ist in jedem von uns tief verwurzelt, gehört zum Charakter und ist für mich ein wichtiger Teil, mich selbst zu sein. Schwarz, trocken, ironisch – er hat viele Facetten und sagt einiges über uns aus. Ich bin gerne schlagfertig, gerne witzig, aber im Englischen komme ich damit oft ins Stocken. Nicht selten liegt es daran, dass es «lost in translation», in der Übersetzung verloren geht. Oder dass mein Kopf mit der Übersetzung Höchstleistung betreibt und mein Humor einfach den richtigen Moment verpasste. Ich weiss, mit der Zeit – ach, immer diese Zeit – werde ich auch meinen Humor in Englisch ausdrücken können. Und bis dahin verweile ich mich damit, über die Witze anderer zu lachen.

Fabia Meyer · hello@fabia.me