Meine Flucht vor all dem Tollen da draussen 

Auf mein Einleben im Frühling folgte das Ausleben im Sommer. Waren die ersten Monate ein Schnuppern auf unbekanntem Terrain, so spornte mich der Sommer zu Taten an. Er trieb mich mit seinen vielen Stunden Tageslicht ins Freie, ausser Sichtweite meiner Pendenzen. Der Sommer zog vorbei und gab mir kaum Zeit für eine Verschnaufpause. Die langen Tage waren unglaublich intensiv und vollgepackt mit Aktivitäten – tägliche Biketouren, Tages- und Campingausflüge, Kanutouren, Wanderungen, Gartenarbeit, Ausflüge nach Alaska. Die Sonne hielt mich bis nach Mitternacht wach und mein Schlaf gönnte mir maximale acht Stunden Erholung. Von Aussschlafen war da nicht zu träumen. Die Abenteuer des nächsten Tages warteten bereits schon frühmorgens auf mich.

 

Ende August neigte sich der zwar kurze, jedoch gefühlt sehr ausdauernde Sommer dem Ende zu. Glücklich vollgetankt mit Erlebnissen aber auch atemlos erschöpft von unzähligen Abenteuern merkte ich mit Verblüffen, dass bereits fünf Monate vorbei waren. Stellte fest, dass ich noch nicht bereit war, meine Auszeit wie geplant nach acht Monaten zu beenden. Zu neugierig war ich auf die Kälte und die Härte des Winters und seine dunklen Tage, die so manche in die Tiefe reissen. Aber vor allem merkte ich, dass meine aktiven Monate mich zwar mit Inspiration überhäuft haben, mir jedoch weder den Raum noch die Zeit liessen, diese zu ernten. Wenn ich in meiner Auszeit keine Zeit habe, dann würde ich etwas falsch machen, kommentierte meine Schwester. Und recht hat sie. Wann, wenn nicht hier, sollte ich jemals mir mehr Zeit für meine Projekte nehmen können?

 

So kam es, dass ich das Ablaufdatum meiner Frühpension um vier Monate verlängerte und auf Ende März 2020 setzte. Mit der Hoffnung, dass dies mir genügen Zeit verschaffen würde, Ruhe und Erholung zu finden, die meinen Ideen Antrieb zur Umsetzung geben werden. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass es im Herbst und Winter noch mehr Neues zu entdecken gibt als im Sommer. Deshalb verstrichen nochmals Monate, bis ich meinen Vorsatz in die Tat umsetzte. Mitte Januar floh ich vor meinem Alltag, meiner Unternehmensfreude und meinen Abenteuern und suchte für einen Monat Exil in einer abgelegenen Hütte im kanadischen Wald. Fern von jeder Ablenkung, dafür umso näher bei mir selbst fand ich den richtigen Ort, meiner Kreativität Platz zu schaffen. Und dort, inmitten von nichts war ich auf einmal umgeben von allem, was ich brauchte. Entstanden sind Texte wie dieser, Zeichnungen und gestrickte Mützen. Aber vor allem noch mehr Ideen für weitere Projekte, die mich für die Zeit nach dem Exil beschäftigt halten würden.

Fabia Meyer · hello@fabia.me